Vor 100 Jahren: Plünderern wird der Prozess gemacht

0 07.03.2024

Kriegsfolgen, Ruhrbesetzung und Hyper-Inflation - auch 1924 war für die leidgeprüfte Bevölkerung vor allem im Revier ein schwarzes Jahr. Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.

Zwei Sonderkammern für die Plünderungsprozesse

Essener Allgemeine Zeitung (EAZ), Samstag, 8. März 1924. Welch außerordentlich großen und folgenschweren Umfang die Herbstplünderungen des vorigen Jahres im Ruhrgebiet angenommen und welch ungeheure Arbeitslast sie der Staatsanwaltschaft und den Gerichten in der Folgezeit aufgebürdet haben, erhellt aus einer kurzen Übersicht über die bisherige Abwicklung der am Landgericht Essen anhängig gemachten Plünderungsprozesse.

Darnach sind bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht Essen bis Ende Februar 653 Strafverfahren aus den Plünderungen, die Mitte Oktober einsetzten und den ganzen Monat November hindurch andauerten, eingeleitet und abschließend bearbeitet worden. Um die Mitte Januar begann die planmäßige Durchführung der Plünderungsprozesse vor den beiden Sonderstrafkammern. Vor diesen Sonderkammern sind im Monat Januar 43 Plünderungssachen mit insgesamt 232 Angeklagten abgeurteilt worden.

Von den 232 Angeklagten sind 138 verurteilt und 36 freigesprochen worden. Gegen 13 Angeklagte konnte nicht verhandelt werden, weil sie entweder nicht erschienen waren oder weil weitere Beweiserhebung eine Vertagung erforderlich machte. Im Monat Februar wurden von den beiden Strafkammern 75 Plünderungssachen mit 357 Angeklagten erledigt. Von diesen Angeklagten sind 281 verurteilt und 61 freigesprochen worden. Das Verfahren gegen 15 Angeklagte musste vertagt werden. (...)

Wucherbekämpfung im Februar

EAZ, Sonntag, 9. März 1924. Die Rheinisch-Westfälische Wucherzentrale beim Polizeipräsidium Essen hat, wie mitgeteilt wird, im Monat Februar 155 Anzeigen wegen Verfehlungen gegen die allgemeinen Wucherbestimmungen erstattet und den zuständigen Staatsanwaltschaften übergeben, und zwar 55 wegen Preiswuchers, 8 wegen Leistungswuchers, eine wegen Mietwuchers, eine wegen Provisionswuchers, 13 wegen Vergehens gegen die Preisschilderverordnung, 22 wegen Kettenhandels 20 wegen Verdachts des Schleichhandels, vier wegen unerlaubten Devisenhandels, 16 wegen Vergehens gegen Artikel 14 der Verordnung über Handelsbeschränkungen.

Die Wiedergeburt des Judentums

EAZ, Mittwoch, 12. März 1924. Im großen Saale des städtischen Saalbaues sprach am Sonntagnachmittag D. Samuel aus Halle an der Saale über das Thema "Die Wiedergeburt des Judentums". Der Andrang zu dem Vortrag war ungemein stark, der Saal war mit seinen Galerien bis auf den letzten Platz besetzt. Der Redner gab seinem Thema ein stark religiöses Gepräge und behandelte zunächst eingehend das Gebiet der Christusforschung. Er betonte, dass die Christuserforschung in Deutschland eingesetzt und dann auch auf andere Länder übergegriffen habe. Um die wahre Person Christi erkennen zu können, sei es vor allen Dingen notwendig, alles Hellenistische und sonstiges falsche Beiwerk abzustreifen, dass der Christusvorstellung im Laufe der Jahre beigemischt worden ist. Die heutige Christuserforschung lenkt den Blick zurück auf das Judenchristentum der ersten Zeit. (...)

Die ersten Arbeiten am Postneubau

EAZ, Freitag, 14. März 1924. Die ersten Arbeiten am Postneubau. Bekanntlich trug man sich vor einigen Jahren mit dem Plan, die gesamte Hauptpost und Telegraphenverwaltung auf das Schulz-Knaudtsche Gelände (östlich des Hauptbahnhofs, Hollestraße – die Red.) zu verlegen. Der Plan scheiterte aber an den außergewöhnlich hohen Kosten, die eine ober- oder unterirdische Verbindung des Schulz-Knaudtschen Geländes mit den Bahnsteigen des Hauptbahnhofs verursachen würde.

Nachdem diese Verlegung aus technischen Gründen nicht weiter verfolgt werden konnte, wurde beschlossen, den Postneubau auf dem bis zur Selmatraße erweiterten alten Postgrundstück und der Straße An der Reichsbank zu errichten.

Der erste Bauabschnitt des Neubaus in der Straße An der Reichsbank ist jetzt in Angriff genommen worden. Darin soll das neue Fernsprechamt und die Paketschalterhalle untergebracht werden. Das Gebäude erhält ein Kellergeschoss und 5 nutzbare Geschosse. Der Haupteingang liegt in der Straße An der Reichsbank. Durch den Haupteingang gelangt man auch zu dem Posthof für den Paketverkehr. Der Neubau wird unterirdisch mit dem Tunnel des alten Postgrundstücks verbunden. (...)

Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt

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