Vor 100 Jahren: aus für Essener Notgeld

0 30.05.2024

Essen. Mit Andreas Eickholt blicken wir wieder zurück in die Zeit vor 100 Jahren.

Warum in die Ferne schweifen...

Essener Allgemeine Zeitung (EAZ), Donnerstag, 22. Mai 1924. Wer empfindet nicht ein ganz kleines Gefühl des Neides, wenn er in diesen Tagen Reiseschilderungen über Italien und andere sehenswerte Länder in den Tageszeitungen liest, in wem würde nicht der Wunsch wach, gleich jenen Glücklichen, die über genügend Mittel verfügen, den Staub des Alltags von sich abzustreifen und frei von aller Sorge und Beschwer hinaus zu reisen in fremde Länder und all das Schöne in sich zu trinken, das unsere Erde uns zu bieten vermag. Gerade jetzt im Frühling ist dieses Sehnen in uns besonders stark lebendig, in der Zeit, da Gottes Welt sich dem Auge in der verlockendsten Farbenpracht darbietet. Aber wir gewöhnlichen Sterblichen sind an unseren Beruf und infolge mangelnder Mittel an unsere engere Heimat gekettet und müssen die Reisen nach Italien, ins Mittelmeer oder nach Ägypten anderen überlassen. Aber - und das sei den daheim Bleibenden zum Troste gesagt - es gibt Ersatz für die Genüsse, die wir uns versagen müssen, wir finden diesen Ersatz sogar in unserer Heimat, und jeder hat die Mittel, in Schönheit zu schwelgen, wenn es auch nur die Schönheit des deutschen Frühlings, deutschen Landes ist. Wer in diesen Tagen das Tal der Ruhr durchwandert, der wird an den sich bietenden Schönheiten verschiedenster Art seine helle Freude haben, sofern er überhaupt für derartige Eindrücke empfänglich ist. (...)

Wer hat Jacob Arimont gesehen?

Seit dem 8. Mai wird der Kriegsinvalide Jacob Arimont, geboren 1. April 1892 zu Altenessen, in Borbeck, Kuhstraße 60 wohnhaft, vermisst. Der Mann ist infolge einer Kriegsbeschädigung geistig nicht normal und zeitweise nicht zurechnungsfähig.

Apfelsinen reichlich vorhanden

Der Umschwung der Witterung in der letzten Zeit ist auch auf dem Wochenmarkt nicht ohne Einfluss geblieben. Gegen die Vorwoche sind die Preise für alle Gemüsesorten merklich zurückgegangen. Die Hausfrauen quittieren das mit freundlicher Miene und wandern von Stand zu Stand, um ihre Körbe und Körbchen mit frischem Grün zu füllen. Allerdings haben zurzeit die Wochenmärkte nicht den gewohnten Massenbesuch aufzuweisen. Der Streik der Bergarbeiter und die verkürzte Arbeitszeit bei Krupp und in sonstigen Betrieben treten auch hier fühlbar in die Erscheinung. Der vielbegehrte frische Kopfsalat war auf dem gestrigen Rüttenscheider Wochenmarkt schon für 10, 15 und 20 Pfennig zu haben, während er vergangene Woche noch 35 Pfennig kostete. Blumenkohl sank von 1,20 auf 80, 70, 60 Pfennig und frischer Spinat wurde mit 10, 15 und 20 Pfennig angeboten, Spargel zu 50 Pfennig, Möhren und Radieschen das Bündel zu 70 Pfennig und so weiter. Südfrüchte wie Apfelsinen, Bananen und so weiter waren reichlich vorhanden. (...)

Sammlung für notleidende Bergarbeiterfamilien

Essener Allgemeine Zeitung, Freitag, 23. Mai 1924. Bergarbeiterhilfe Borbeck. Infolge des gemeinsamen Vorgehens aller Organisationen und der kirchlichen Wohlfahrtspflege der beiden Konfessionen in Borbeck ist es möglich gewesen, hier zuallererst mit der Unterstützung der kinderreichen Familien der ausgesperrten Bergleute zu beginnen. Die Mittel zur Speisung in den beiden Krankenhäusern und zur Ausgabe von Gutscheinen sind in dankenswerter Weise von den Geschäftsleuten und den im Gehalt gebliebenen Kreisen der engeren Gemeinde aufgebracht worden. Nun sind die aufgebrachten Mittel inzwischen auch aufgebraucht, und noch ist kein Ende der Not abzusehen. Auch wird man die Familien mit weniger als 4 Kindern nicht dauernd leer ausgehen lassen dürfen. Deshalb muss leider noch einmal eine Sammlung gehalten werden, über die man in der Bürgerschaft nicht unwillig sein möge. Die Not zwingt dazu, denn sie ist heute größer als jemals früher in Streikzeiten. In dieser Zeit der Not darf kein Stand und kein Mensch sich dem schönen Wort verschließen: Einer trage des anderen Last. (...)

Aus für das Inflations-Notgeld

EAZ, Samstag, 24. Mai 1924. Auch die Stadtverwaltung Essen hat sich nunmehr dazu entschlossen, das städtische Notgeld einzuziehen. In einer im Anzeigenteil der vorliegenden Nummer veröffentlichten Bekanntmachung wird das sämtliche städtische Notgeld zum 25. Juni aufgerufen. Nach diesem Termin verliert das Notgeld der Stadt Essen seine Gültigkeit.

Essener Uhren ticken wie sie wollen

EAZ, Mittwoch, 28. Mai 1924. Die mangelhafte Übereinstimmung der Zeitangabe der öffentlichen Uhren in unserer Stadt hat schon mehrfach Anlass zur Kritik gegeben. Dieser Zustand hat sich auch bis heute kaum verändert, denn die meisten öffentlichen Uhren weichen in ihrer Zeitangabe ganz erheblich voneinander ab. Häufig kommt es auch vor, dass eine Uhr tage-, manchmal sogar wochenlang nicht geht und dadurch schließlich bei den täglich Vorübergehenden, deren Blick unwillkürlich das Zifferblatt streift, Gefühle des Ärgers und tiefgründige gedankliche Betrachtungen über den Zweck solcher Einrichtungen, die die ihnen zugedachten Funktionen so mangelhaft und lückenhaft erfüllen, ausgelöst haben. Nach Lage der Dinge ist auch kaum damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit eine genaue Übereinstimmung in der Zeitangabe unserer öffentlichen Uhren erreicht werden kann. Die Gründe liegen in den Verhältnissen beziehungsweise an dem Mangel der dazu notwendigen technischen Einrichtungen. (...)














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