Vor 100 Jahren: Lebensmittel für Erwerbslose bei Wienforth

0 20.12.2023

Kriegsfolgen, Ruhrbesetzung und Hyper-Inflation - 1923 war für die leidgeprüfte Bevölkerung vor allem im Revier ein schwarzes Jahr. Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.

Polizei-Patrouillen gegen Weihnachtsbaumwilderei

Essener Allgemeine Zeitung (EAZ), Mittwoch, 19. Dezember 1923. Steele. Die Polizei hat in den letzten Tagen verschiedene Personen angehalten, die mit frisch abgeschlagenen Weihnachtsbäumen aus den Wäldern bei Kupferdreh und Rellinghausen kamen. Im Schellenbergerwalde sind wegen des stark betriebenen Abholzens der Tannen Polizeipatrouillen eingerichtet.

Wenn auch die hohen Kosten für die Bäume von einem großen Teil unserer Bevölkerung kaum getragen werden können, geht es trotzdem nicht an, aus diesem Grunde zur Selbsthilfe zu schreiten. Das entspricht nicht dem Charakter des Weihnachtsfestes.

Lebensmittel für Erwerbslose bei Wienforth

EAZ, 20. Dezember 1923. Die Erwerbslosen erhalten neben der Unterstützung für die zweite Hälfte dieser Woche und die erste Hälfte der kommenden Woche Lebensmittel als Weihnachtsgabe. Es sind folgende Verteilungsstellen eingerichtet: Altstadt Buchstaben A bis K: Eiskeller, Beuststraße, L bis Z: Alfredistraße 46. Essen-West: evangelische Schule 14, Frohnhauser Straße 246/48. Borbeck: Restaurant Wienforth, Borbecker Straße 7.

Teilweise Beschlagnahme des Saalbaus

EAZ, 21. Dezember 1923. Die französische Besatzungsbehörde hat für ihre Zwecke im städtischen Saalbau einen Teil der Restaurationsräume und der hinteren oberen Säle beschlagnahmt. Darunter befinden sich auch Räume, die bisher von der Essener Börse benutzt wurden. Die umfangreichen Baulichkeiten des Saalbaues machen es aber möglich, die Börse auch weiterhin im Saalbau abzuhalten. Da ferner die eingebauten Fernsprecher wie bisher benutzt werden können, hat die Beschlagnahme keinerlei Einschränkung der Börsentätigkeit zur Folge.

Im Übrigen bleibt die Unterbringung der Essener Börse im Saalbau nur noch ein kurzes Provisorium, da der Bau des Essener Börsengebäudes so beschleunigt wird, dass es in wenigen Monaten für die Börsenversammlungen benutzt werden kann. Der große Saal des städtischen Saalbaus wird von der Beschlagnahme nicht berührt.

Kanzler spricht zum ersten Mal im Radio

EAZ, Sonntag, 23. Dezember 1923. Am Dienstag, dem 25. Dezember, nachmittags um 6 Uhr wird sich der deutsche Reichskanzler Dr. Marx zum ersten Mal der Radiotelegraphie bedienen, um zu einem großen Publikum inner- und außerhalb Deutschlands zu sprechen. Er wird unter Verwendung der in der Potsdamer Straße aufgestellten Sendestation eine Ansprache halten, die jedermann mit Hilfe der zugelassenen Apparate abhören kann. Nach Beendigung der Ansprache des Reichskanzlers Dr. Marx wird je ein Abgeordneter der an der gegenwärtigen Koalition beteiligten Parteien das Wort ergreifen.

Die Weihnachtswünsche für das deutsche Volk

Von Reichskanzler Dr. Marx

EAZ, Dienstag, 25. Dezember 1923. "Die Wünsche, die ich als verantwortlicher Leiter der Reichspolitik dem deutschen Volke zum diesjährigen Weihnachtsfeste darzubringen habe, lassen sich in die kurzen Worte fassen: Frieden, Arbeit und Freiheit. Frieden nach außen und im Innern, Verständigung mit den anderen Völkern zur Pflege gemeinschaftlicher Menschheitsideale, bürgerliche Ordnung und Gesittung, für welche der Segen der Arbeit die beste Gewähr ist, und Freiheit und Unabhängigkeit des Staates, ohne die kein Volk Großes leisten kann." (...)

Bild oben: "Verhaftung und Abtransport von Bergwerksdirektoren durch Franzosen im Bredeneyer Rathaus am 20. Januar 1923." Hinten rechts Generaldirektor Wüstenhöfer. (Abb. aus Spethmann / Ruhrkampf)

Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt

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