Vor 100 Jahren: Wüste Messerstecherei am Bahnhof Bergeborbeck

0 04.01.2024

Kriegsfolgen, Ruhrbesetzung und Hyper-Inflation - 1923/24 war für die leidgeprüfte Bevölkerung vor allem im Revier ein schwarzes Jahr. Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.

Ungeheure Explosion der Lebenshaltungskosten

Essener Allgemeine Zeitung (EAZ), Mittwoch, 2. Januar 1924. Die Reichsindexziffer für Lebenshaltungskosten (Ernährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung und Bekleidung) beläuft sich für Samstag, den 29. Dezember, dem wegen des Jahreswechsels anstelle des Montags gewählten Erhebungstage, auf das 1147-milliardenfache der Vorkriegszeit. Gegenüber dem 22. Dezember (1150) ist demnach eine Abnahme von 0,3 v. H. zu verzeichnen. Für den Durchschnitt des Monats Dezember berechnet sich die Reichsindexziffer auf das 1247-milliardenfache gegenüber dem 657-milliardenfachen Durchschnitt des Monats November. Das entspricht einer Steigerung von 89,8 v. H. Die Lebenshaltungskosten ohne Bekleidung sind im Durchschnitt Dezember auf das 1182-milliardenfache, die Ernährungskosten allein auf das 1512-milliardenfache der Vorkriegszeit gestiegen.

Der Mai war zu kalt und nass

Der Witterungsverlauf des Jahres 1923 hatte eine ganze Reihe höchst bemerkenswerter Erscheinungen und Abnormitäten aufzuweisen. (...) Ganz ungewöhnlich feucht war der Mai, er brachte uns nicht weniger als 147 Millimeter Niederschlag (normal 60 Millimeter) und war somit wie in zahlreichen anderen deutschen Gebietsteilen der feuchteste Mai seit dem Bestehen der amtlichen meteorologischen Aufzeichnungen, die in Essen bis auf das Jahr 1902 bezüglich des Niederschlages zurückgehen. Außerdem war der Mai 1923 und 2 Grad zu kühl.

Ausgewiesene Beamte kehren zurück

Beim Telegraphenamt Essen kehren, wie uns berichtet wird, die ausgewiesenen Beamten nach und nach zurück. So hat jetzt auch Telegraphendirektor Zehme seinen Dienst wieder aufgenommen. Während der Zeit des passiven Widerstandes wurden vom Telegraphenbauamt 5 Beamte für längere Zeit verhaftet und 22 Beamte ausgewiesen.

Essen versinkt im Schlamm

EAZ, 4. Januar 1924. Schon vor einigen Tagen haben wir darauf hingewiesen, dass die Straßenreinigung im Winter nicht vernachlässigt werden darf, dass ihr vielmehr erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Nun haben wir das schönste Tauwetter, und wie nicht anders zu erwarten, allüberall starren unsere Straßen von ungeheurem Schmutz und Schlamm. Nicht nur die Straßen, auch die Bürgersteige sind kaum begehbar und von keiner Seite, sowohl von den zur Reinhaltung der Bürgersteige verpflichteten Hausbewohner als auch von der städtischen Straßenreinigung, sind besondere Anstalten getroffen worden, der Sintflut Herr zu werden.

Bluttat in Bergeborbeck ohne Zeugen

Eine Bluttat in der Neujahrsnacht, der ein Menschenleben zum Opfer fiel, ereignete sich in Bergeborbeck. Dort kam es am Morgen des 1. Januar zwischen 4 und 5 Uhr auf der Vogelheimer Straße in der Nähe des Bahnhofes Bergeborbeck zu einer wüsten Messerstecherei, die sich im Halbdunkel abspielte. Hierbei ist der Bergmann Alfred Schaad aus Borbeck erstochen worden. Der Zwischenfall hat sich ohne Augenzeugen abgespielt und als man Schaad auffand, war er bereits tot. Die Täter haben schleunigst die Flucht ergriffen und sind unerkannt entkommen. Festgestellt ist aber, dass eine bislang nicht ermittelte Frau mit einem Kinderwagen zur Zeit der Bluttat am Tatort vorbeigefahren ist. Möglicherweise ist diese Frau in der Lage, Angaben zu den Vorgang zu machen. Ihre Mitteilungen sind daher von großer Wichtigkeit für die Ermittlungen der Täter. Die Kriminalpolizei sucht nach dieser Frau, die sich zweckmäßig selbst beim 8. Polizeirevier in Dellwig meldet.

Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 3 plus 1.