Vor 100 Jahren: Zerstörte Grünanlagen empören Gemüter

Und in München beginnt der Hochverratsprozess gegen einen Österreicher

0 23.02.2024

Kriegsfolgen, Ruhrbesetzung und Hyper-Inflation - auch 1924 war für die leidgeprüfte Bevölkerung vor allem im Revier ein schwarzes Jahr. Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.

Rohlinge zerstören die Grünanlagen

Essener Allgemeine Zeitung, Freitag, 22. Februar 1924. Wozu haben wir unsere Grünflächen? Der vernünftig denkende Mensch, der Sinn für die Natur und vor allem für die Notwendigkeit hat, in einer Großstadt zur Erholung und zur Freude der Einwohner viele solche Anlagen zu schaffen, wird diese Frage wohl für sehr überflüssig halten. An ihn ist sie auch nicht gerichtet, sondern an die Leute, die glauben, dass die Grünflächen dazu da seien, zu einer angenehmen Verkürzung ihres Weges zu dienen.

Das Tun dieser gedankenlosen Mitbürger ist besonders in der Winterzeit zu beobachten. Unter offensichtlicher Missachtung der reichlich und bequem angelegten, durch Einfassungen gekennzeichneten Übergangstrassen überqueren sie rücksichtslos die Zierflächen. Besonders die im vergangenen Jahr von der Stadtverwaltung neu geschaffenen Anlagen müssen herhalten.

Da ist zum Beispiel die Fläche in der Kruppstraße zwischen Friedrich- und Lordstraße. Von der ganzen Aussaat ist kaum noch ein Halm zu sehen. Dafür sind aber die Spuren zahlloser Fußtritte in dem jetzt hart gefrorenem Boden zu bemerken. Die Eckflächen sind überhaupt nicht mehr zu erkennen. Auch die Jugend beteiligt sich mit Energie an dem Zerstörungswerk. Eltern und Lehrer sollten hier mal nach dem Rechten sehen.

Aber nicht nur Fußgänger betrachten es als ihr Recht, in der oben bezeichneten Weise zu handeln. Es gibt sogar Fuhrleute, die mit ihren Fuhrwerken den Weg über die Anlagen nehmen. Breite Furchen zeugen davon. Gegen derartige Rohlinge lassen sich die Anlagen natürlich nur durch Einfriedigung schützen. Im Übrigen mögen sich diejenigen, die bisher gedankenlos das Treiben mitmachten, etwas mehr Selbstzucht auferlegen und an ihre Mitbürger denken, die auf eine Verschönerung ihrer Heimatstadt Wert legen.

Straßenreinigung Fehlanzeige

Essener Allgemeine Zeitung, Samstag, 23. Februar 1924. Mehr als einmal ist an dieser Stelle in den letztvergangenen Wochen auf die durchaus ungenügende Straßenreinigung in unserer Stadt hingewiesen worden. Infolge des schnellen Witterungsumschlages wiesen die Straßen besonders vor 4 Wochen entweder enorme Mengen Schmutz oder lebensgefährliche Glätte auf, ohne dass man irgendeinen wirksamen Erfolg der Straßenreinigung wahrnahm. Woran liegt es, fragt man sich, dass die Straßenreinigung so vollkommen versagt. Das muss doch irgendeine Ursache haben. Diese Ursache ist tatsächlich vorhanden. Es ist der Abbau, der heute auf der ganzen Linie regiert. Beim städtischen Fuhrpark ist sogar ziemlich radikal abgebaut worden. Ob die Einschränkungen in dem vorgenommenen Umfang nötig und richtig waren, steht auf einem anderen Blatt. (...)

Kostenlose Schuhsohlen für Bedürftige

Essener Allgemeine Zeitung, Sonntag, 24. Februar 1924. Die Mitglieder der Essener Schuhmacherinnung haben beschlossen, zugunsten der Essener Nothilfe 400 Paar Schuhe von besonders Bedürftigen (Erwachsene oder Kinder) kostenlos zu besohlen. Auch das Leder für Sohlen und Absätze wird ohne jede Berechnung geliefert. Die Geschäftsstelle der Essener Nothilfe hat mit dankbarer Freude von dem von hochherziger Gesinnung zeugenden Beschluss Kenntnis genommen und sofort aus der Zahl der vorhandenen Bedürftigen 400 ausgesucht, denen die Wohltat unserer Essener Schumachermeister zuteil werden soll.

Polizei macht Jagd auf Konfetti

Essener Allgemeine Zeitung, Freitag, 29. Februar 1924. Man schreibt uns: Durch Polizeiverordnung vom 12. Februar 1924 sind alle öffentlichen karnevalistischen Veranstaltungen, wie karnevalistische Umzüge, Aufführungen, Vorträge, Tanzlustbarkeiten, ferner das Tragen karnevalistischer Verkleidungen oder Abzeichen jeder Art, das Singen, Spielen oder Vortragen karnevalistischer Lieder, Gedichte und Vorträge, das Werfen von Luftschlangen, Konfetti und dergleichen auf öffentlichen Straßen, Plätzen und Lokalen, bei öffentlichen Veranstaltungen oder Versammlungen untersagt.

Der Polizeipräsident macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass diese Verordnung scharf durchgeführt und jede Übertretung des Verbotes bestraft wird. Es wäre sehr zu wünschen, dass die Bürgerschaft dieses Verbot genau beachtet, damit jeder Zusammenstoß mit der Polizei, die nichts als ihre Pflicht tut, vermieden wird, ganz abgesehen davon dass schon allein die augenblicklichen allgemeinen Verhältnisse es jedem einzelnen nahelegen sollten, auf lärmende karnevalistische Vergnügungen zu verzichten.

Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt

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