Vor 100 Jahren: Essener protestieren gegen den Abriss des lokalgeschichtlich bedeutsamen Grillohauses

0 13.06.2024

Was war los in Borbeck und Essen vor 100 Jahren? Wir bringen in loser Folge Kurznachrichten aus der Zeit vor hundert Jahren, die damals in zeitgenössischen Zeitungen erschienen.

Altes Grillo-Haus am Burgplatz weicht modernem Neubau von Gustav Blum

Essener Allgemeine Zeitung (EAZ), Sonntag, 8. Juni 1924. Wie schon von uns berichtet, soll im ersten Bauabschnitt zur Umgestaltung des Burgplatzes demnächst das Grillohaus fallen. Es ist bekanntlich von der Stadt auf die Dauer von 60 Jahren der Firma Gustav Blum in Erbpacht gegeben worden. Die Firma zahlt eine jährliche Pacht von 60.000 Goldmark und wird an die Stelle des lokalgeschichtlich bedeutungsvollen Grillohauses einen modernen Geschäftsneubau setzen. In weiten Kreisen der Bürgerschaft aber wird, wie wir aus zahlreichen Zuschriften ersehen, der Abbruch des Grillohauses nur mit Bedauern zur Kenntnis genommen und es fehlt nicht an lebhaften Widersprüchen.

Verheerendes Unwetter am ersten Pfingst-Feiertag

EAZ, Dienstag, 10. Juni 1924. Über die verheerenden Wirkungen des am ersten Pfingsttage besonders über Düsseldorf herniedergegangenen furchtbaren Unwetters haben wir in unserer gestrigen Abendausgabe berichtet. Auch in anderen Orten unseres engeren unter weiteren Bezirks war der Pfingstsonntag ein Schreckenstag, der der Bevölkerung noch lange im Gedächtnis bleiben wird. So hat der Sturm auch in Kupferdreh, besonders im südöstlichen Teil der Bürgermeisterei, großen Schaden angerichtet, vor allem in den Gärten, wo an verschiedenen Stellen der Hagel 20 cm hoch lag. Das Wasser kam wie ein Bach die Oststraße herunter, schwere Steine mit sich fortreißend. An der Ecke Steinstraße verstopfte sich der Kanal, so dass das Wasser im Augenblick in den angrenzenden Gärten anderthalb Meter hoch stand und dort eine Mauer umwarf und mit sich fortführte. Die elektrische Straßenbahn erlitt eine einstündige Unterbrechung, da überall erst der Schlamm von den Schienen entfernt werden musste. (...)

Hoffnung auf Freilassung politischer Gefangener

EAZ, Freitag, 13. Juni 1924. Die seit geraumer Zeit schwebenden diplomatischen Verhandlungen über das Schicksal der in französischen Strafanstalten, besonders in St.-Martin-de-Ré festgehaltenen 42 Rhein- und Ruhr-Gefangenen haben zu dem vorläufigen Ergebnis geführt, dass zunächst einmal, und zwar noch im Laufe der Woche, diese Gefangenen in Gefängnisse des besetzten Gebietes zurückgebracht werden. Gleichzeitig werden 6 wegen politischer Delikte verurteilte Franzosen aus den deutschen Gefängnissen entlassen werden. Es ist zu hoffen, dass diese Maßnahmen die Einleitung der endgültigen Befreiung aller Rhein- -und-Ruhr-Gefangenen bilden werden.

Der Oberhausener Oberbürgermeister Havenstein hat von der Besatzung die Genehmigung zur Übernahme seines Amtes erhalten. Er nimmt am Freitag seine Dienstgeschäfte wieder auf.

Gemeingefährliche Einbrecherbande zerschlagen

EAZ, 13. Juni 1924. Nach monatelangen unermüdlichen Nachforschungen und Beobachtungen hat die Essener Polizei mehrere Mitglieder einer gemeingefährlichen Einbrecherbande unschädlich gemacht. Wenn nicht alles trügt, hat die Polizei mit der Verhaftung der gefährlichen Burschen ein Einbrecherkomplott schachmatt gesetzt, das dauernd Furcht und Schrecken über die Villenbesitzer und Geschäftsleute verbreitete, und zwar nicht allein in der Stadt Essen, sondern im ganzen Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet überhaupt. (...)

Wilder Raser verletzt zwei Kinder: Acht Monate Gefängnis

EAZ, 13. Juni 1924. Die Gefahren, die das Großstadtpflaster in der heutigen Zeit für Leib und Leben birgt, vergrößern sich unausgesetzt mit der technischen Vervollkommnung und der erweiterten Ausnutzung der modernen Schnellverkehrsmittel. Erst vor wenigen Tagen wurden in der hiesigen Tagespresse kurze statistische Angaben über die Zunahme der Autounfälle veröffentlicht, aus denen hervorging, dass in den letzten zweieinhalb Monaten im Bereich des Stadtgebiets nicht weniger als 94 Unfälle zu verzeichnen gewesen sind, die mit dem Kraftwagenverkehr im ursächlichen Zusammenhang stehen.

2 derartige Unfälle hatten in den letzten Tagen ein gerichtliches Nachspiel. In dem ersten Fall, der vor dem Schöffengericht verhandelt wurde, war der Angeklagte der Monteur Heinrich S. aus Kettwig Die Verhandlung ergab folgenden Sachverhalt: An einem Tage im Monat März raste der Angeklagte mit seinem Personenkraftwagen durch die Straßen der Stadt Essen. Das Auto war zeitweilig in übelduftende Gaswolken gehüllt und unausgesetzt tönte wild die Signalhupe. Alles flüchtete Hals über Kopf vom Fahrdamm auf die Bürgersteige. So raste der Angeklagte durch die Friedrichstraße und die Bismarckstraße.

Einige Minuten später war das Unglück geschehen. An dem Gebäude der Eisenbahndirektion bog der Angeklagte in unverminderter Schnelligkeit in die -straße (unleserlich) ein. Auf dem Bürgersteig gingen mehrere Schulkinder. Plötzlich raste das Auto auf den Bürgersteig. Der Angeklagte hatte anscheinend die Gewalt über die Maschine verloren. 2 von den Schulkindern wurden umgerissen und mit großer Wucht zu Boden geschleudert. Die beiden Opfer des Unfalls, 2 Schulmädchen, erlitten Knochenverletzungen, Hautabschürfungen beziehungsweise einen Nervenschock. (...)

Das Gericht versagte dem Angeklagten die mildernden Umstände und verurteilte ihn zu 8 Monaten Gefängnis. In der Urteilsbegründung führte der Gerichtsvorsitzende aus, dass das Rasen der Automobile in Essen in gemeingefährlicher Weise überhand genommen hat. Gegen solche Chauffeure, die derart wild durch die Straßen jagen, muss das Publikum unter allen Umständen geschützt werden. Mildernde Umstände könnten solchen wild gewordenen Kraftwagenführern nicht zugebilligt werden.

Quelle: Haus der Essener Geschichte / www.zeitpunkt.nrw - zusammengestellt und bearbeitet von Andreas Eickholt

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