Heinrich Grafflage: 50 Jahre Priester

Goldenes Priesterjubiläum am 1. Februar 2020

0 28.01.2020

BORBECK. Er stammt mitten aus Borbeck und kehrte dorthin auch gerne wieder zurück: Pfarrer i.R. Heinrich Grafflage, seit 2008 Pastor im Ruhestand in St. Dionysius, wird am Samstag, 1. Februar, sein Goldenes Priesterjubiläum begehen. Der Festtag beginnt mit einer feierlichen Eucharistiefeier um 17 Uhr in der Dionysiuskirche in Essen-Borbeck, Dionysiuskirchplatz 3, 45355 Essen. Sie wird von Pfarrer Benedikt Ogrodowczyk und Prälat Dr. Hans-Werner Tönnes zelebriert. Der langjährige Generalvikar des Bistums Essen und Bischofsvikar für die Caritas hat auch die Festpredigt übernommen. Anschließend findet eine Begegnung im Dionysiushaus und auf dem Dionysiuskirchplatz statt.

Eine Borbecker Kriegsjugend

Dass er diesen Beruf einmal wählen würde, entschied sich allerdings nicht so schnell – die Vorzeichen der Zeit standen anders: Geboren wird er am 6.1.1933 im Philippusstift und wächst mit seinen beiden Schwestern Irmgard und Karola auf. Sie wohnen in der Zielstraße, in der Klopstockstraße und ab 1938 an der Ecke Bocholder-Str./Jahnstraße. Sein Vater singt im Kirchenchor von St. Dionysius und der Sohn besucht den Kindergarten St. Dionysius, dann den Kindergarten an Don Bosco. Es folgt eine Jugend im Krieg: Als 1940 die Grundschule zerstört wird und Bomben nur knapp das Haus verfehlen, werden die Kinder getrennt. Man verlegt die Schule nach Prag, Karola und Heinrich bleiben zurück. 1942 geht er zur Erstkommunion in St. Fronleichnam, wird Messdiener und 1942 in St. Dionysius gefirmt.

Kinderlandverschickung

Nach den Großangriffen im Frühjahr 1943, als Bomber die nördlichen Stadtteile anfliegen, brennt das halbe Haus. Jetzt kommt auch Heinrich in die sogenannte Kinderlandverschickung: Im März 1943 geht es für den Zehnjährigen zu einem kleinen Bauern nach Drope bei Gersten im Kreis Lingen: Es gibt dort kein elektrisches Licht, Trinkwasser muss vom Nachbarn geholt werden und die Schule im Emsland besteht aus einer einzigen Klasse für alle Jahrgänge. Daran, dass der Junge auf das Gymnasium kommt, ist aus Kostengründen nicht zu denken. So wechselt er im August 1944 nach Westfalen auf eine Realschule in Beckum und Heinrich Grafflage erlebt dort die letzten Kriegsmonate bewusst mit: Als in der Osternacht 1945 die Alliierten in Beckum einmarschieren, wird die Stadt kampflos übergeben, Schwester Karola und er überleben und kehren im Juli in das zerstörte Borbeck zurück. Als dort im Oktober die Schulen wiedereröffnet werden, geht Heinrich Grafflage auf die Realschule Borbeck, die damals in der Herderschule an der Hamburger Straße in Frohnhausen untergebracht ist.

Aktiv in Don Bosco

Jetzt wird er in Don Bosco aktiv und bleibt zeitlebens geprägt vom unkonventionellen Ordensgründer und „Patron der Jugend“: Engagiert als Lektor und „Messdiener-Häuptling“, übernimmt Heinrich Grafflage Aufgaben als Gruppenleiter in der Jugendarbeit. Mit 17, nach der Mittlere Reife, wird es für ihn ernst: Zum 1. Mai 1950 tritt er die dreijährige Lehre als Vermessungstechniker beim Kommunalverband Ruhr an, arbeitet dort ein Jahr als Techniker und geht von 1954-56 auf die Ingenieurschule Essen. Die Studiengebühren übernimmt der Kommunalverband. Nach dem Abschluss folgen sechs Jahre als Ingenieur beim damaligen Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR), wo er bis 1962 tätig bleibt.

Lebensentscheidung

Doch bereits damals ist ihm klar: Auch wenn er inzwischen auf die 30 zugeht, sollte dies nicht seine endgültige letzte Berufung bleiben. Er trifft eine radikale Entscheidung: Ab Herbst 1960 besucht er das Bischöfliche Abendgymnasium, macht 1963 Abitur und nimmt Abschied von seinem ersten Beruf. Zum 1. November 1963 beginnt er das Studium der Katholischen Theologie in Bonn, wechselt nach vier Semestern 1965-67 nach Freiburg und dann für weitere zwei Semester nach Bochum. Eine harte, aber auch für ihn besonders spannende Zeit, weil gerade das II. Vatikanische Konzil (1962-65) getagt hatte: „Das Vatikanum war ein Quantensprung“, erinnert er sich an die bislang größte Kirchenversammlung aller Zeiten, die auch an den Studenten damals nicht spurlos vorbeiging, wie er oft bekannte.

Priesterjahre in Essen

Von 1968-70 ist er im Priesterseminar, macht sein Diakonat in St. Barbara Mülheim-Dümpten und wird 1970 in Essen zum Priester geweiht. Seine erste Kaplanstelle tritt Heinrich Grafflage 1970-75 Kaplan in St. Josef Essen-Kupferdreh an, wird dann für sieben Jahre Rektor der Jugendbildungsstätte St. Altfrid, wo er auch mit dem Bau der neuen Kapelle bleibende Spuren hinterlässt. Ab Oktober 1982 ist er schließlich Pfarrer in der großen Pfarrei St. Ludgerus, Rüttenscheid – mit allen Anforderungen, die das Amt in den folgenden 16 Jahren mit sich bringt: Er sorgt für die Kirchenrenovierung, den Bau eines neuen Pfarrsaals, einer neuen Orgel und unternimmt jährliche Pilger- und Studienfahrten mit der Pfarrei. Ab März 1997 übernimmt er zusätzlich die Aufgabe als Pfarrer der Pfarrei St. Martin, mit der St. Ludgerus 2001 fusioniert. Pfarrer Grafflage kümmert sich um alle Fragen, die 2006 mit der Schließung und dem Abriss von St. Martin verbunden sind, sorgt anschließend für den Bau des Seniorenheims St. Martin und geht im April 2008 mit 75 Jahren in den Ruhestand.

Faszination Weltkirche

Dass für ihn damit längst nicht die Zeit zu einem vollständigen Rückzug gekommen ist, zeigt sein Engagement in einem Bereich, für den er bereits früh Interesse entwickelt hatte: Schon während seiner Zeit im Priesterseminar ergaben sich streng verbotene Kontakte in die damalige Tschechoslowakei. Aufmerksam verfolgte er die Situation der dortigen Christen, unternahm Reisen nach Russland und andere Ostblockländer. Das Bistum Essen ernannte ihn zum 1. Juli 1997 zum Ansprechpartner für Osteuropa und die Bischöfliche Aktion Renovabis. Über 15 Jahre lang blieb er der zuständige Vertreter des Bistums in der 1993 gegründeten Hilfsaktion der Katholischen Kirche für die Christen in 29 Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Pfarrer Grafflage sorgte für die Begleitung von Projekten, besuchte die jährlichen Renovabis-Kongresse und freute sich, dort seine weit bis in die Bistümer und Apostolischen Administrationen in Sibirien reichenden Kontakte immer wieder aufzufrischen.

Erfahrungen eines langen Seelsorgerlebens

Sein großes weltkirchliches Interesse jedoch richtete sich auch auf Mittel- und Südamerika: Reisen nach Brasilien und Mexiko machten ihn von den Lebensverhältnissen der Menschen, aber auch mit der Glaubenskraft und dem Zeugnis der Kirche dort und vielen Teilen der Welt bekannt. Bis heute ist er davon fasziniert und gibt seine Begeisterung „für die Sache Gottes“ gerne weiter. „Die Sorgen und Probleme, die wir heute haben, sind kein Vergleich mit denen, die etwa Christen in Nigeria haben“, erklärte er in früheren Interviews.

Der „Pfarrer im Unruhestand“, inzwischen auch langjähriger engagierter Präses der Kolpingsfamilie Borbeck, ist für engagierte Predigten bekannt, die er in einer ganz typischen Weise hält. Auch in vielen geistlichen und kirchenhistorischen Vorträgen stellt er bis heute genau diese Erfahrungen vielfach in den Mittelpunkt. Hier berichtet er als scharfer Beobachter und Kommentator des Zeitgeschehens mit breitem Horizont von seinen Prägungen und Erlebnissen. Er schöpft aus einem reichen Erfahrungsschatz und einem langen Leben als Seelsorger, in dem er viele Generationen prägte. Und ist durchaus davon überzeugt, dass die Botschaft Jesu Christi „viel Revolutionäres“ hat: Wenn das so sei, müsse „es eben auch gelebt werden“, meint Heinrich Grafflage, der am 6.1.2020 seinen 87. Geburtstag begehen konnte: „Nachfolge ist keine Spielerei.“

cb

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