Gymnasium Borbeck: 20 Jahre Lothar-Böning-Stiftung

0 20.08.2024

BORBECK. Was wäre eine Schule, wenn sie nicht von vielen getragen würde? Eine Schulgemeinschaft lebt nicht nur von der Zustimmung des Trägers, des ganzen Kollegiums, der Schülerschaft, der Eltern und des ganzen Umfelds, in dem sie tätig ist. Sondern auch von der Verbundenheit der Ehemaligen, denen bewusst ist, wie wichtig ihre Schule für den Start in ihr eigenes Leben gewesen ist. Ein treffendes Beispiel solchen Engagements ist im Gymnasium Borbeck (GymBo) lebendig. Dr. Wolfgang Sykorra, der langjährige ehemalige Direktor des Gymnasiums, stellt zum 20-jährigen Bestehen der Lothar-Böning-Stiftung im Folgenden ihr Engagement vor:

Bildungsförderung als Stiftungsaufgabe
Die Lothar-Böning-Stiftung und das Gymnasium Borbeck in Essen 2004-2024

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Alle drei Jahre veröffentlicht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Ergebnisse des „Programme for International Student Assessment“, der so genannten Pisa-Studie. Darin werden Schlüsselkompetenzen von 15-Jährigen überprüft. In der ersten Erhebung dieser Schülerleistungen im Jahr 2000 wurden erhebliche Schwächen deutscher Schülerinnen und Schüler offenbart. Daraufhin gewannen Bildung und Erziehung mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Unterstützung, so dass sich in den Folgejahren die Leistungen erkennbar verbesserten. Gleichwohl blieben Defizite bestehen. (1) In den bisherigen Studien war durchgängige Erkenntnis: In Deutschland entscheidet die soziale Herkunft überproportional über schulischen Erfolg oder Misserfolg. Es besteht also letztlich ein soziales Problem, für dessen Lösung gesellschaftliche und erhebliche finanzielle Hilfen erforderlich sind.

Im Jahr 2003 gehörte auch das Gymnasium Borbeck zu den Pisa-überprüften Schulen. Seine auf Qualitätssicherung und -steigerung ausgerichtete unterrichtliche Öffnung führte im Gegensatz zu den landesweiten in Borbeck zu überdurchschnittlichen Testergebnissen. Vor der Durchführung des Pisa-Verfahrens wurden von den überprüften Schulen zahlreiche Daten erhoben. Im Ergebnis ergab sich für das Gymnasium Borbeck das Bild einer sehr heterogen zusammengesetzten Schülerschaft, in der alle sozialen Schichten – darunter unterschiedliche Ethnien mit einem Anteil von etwa zwanzig Prozent - vertreten waren.

Schon bei der Grundsteinlegung für das 1901 an der Prinzenstraße übergebene Gymnasium Borbeck war die Schülerschaft heterogen zusammengesetzt. Die Schule war im damaligen Verständnis nicht einer Oberschicht vorbehalten (2), obwohl Bürgermeister Rudolf Heinrich die Schülerströme in diese Richtung lenken wollte. Denn er strebte den Zuzug von besonders zahlungskräftigen bürgerlichen Familien mit aufstiegsorientierten Söhnen an. Seine Absicht war: Ein erhöhtes Steueraufkommen und der daraus folgenden Wirtschafskraft sollten die kommunale Selbstständigkeit des Industriedorfes Borbeck erhalten. Der Versuch misslang. Denn nennenswerte Zuzüge wohlhabender Steuerzahler blieben aus. Seine heterogene Sozialstruktur hat sich das Gymnasium Borbeck also bewahrt.

Ehemaliger Schüler Lothar Böning als Stiftungsgründer

Unter dem Eindruck dieser Befunde und seiner eigenen Erfahrungen entschloss sich Lothar Böning, sozial benachteiligten Mädchen und Jungen zu helfen: „Als ich finanziell in der Lage war, dem Gymnasium Borbeck als meiner alten Schule etwas zurückzugeben, entstand der Gedanke einer Stiftung.“ (3) Denn obwohl seine Eltern nicht auf Rosen gebettet waren, hatten sie ihm eine medizinische Ausbildung ermöglicht.

Dr. Lothar Böning

Nach dem Schulbesuch leistete Lothar Böning seinen Wehrdienst, begann das Studium der Humanmedizin, das er 1972 erfolgreich abschloss. Es folgten Dissertation, Medizinal-Assistenz, Approbation und Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin. Seine Erfahrungen als Facharzt führten ihn zu Überlegungen, eine häusliche Tumorversorgung zu entwickeln. Ergebnis: Die Versorgung wurde durch die Angehörigen zusammen mit einem Ärzte- und psychosozialen Team sowie einer Pflegegruppe gewährleistet. Vorteile: Transfusionen, Chemotherapien, parenterale Ernährung und Schmerztherapien konnten im vertrauten häuslichen Umfeld des Patienten durchgeführt werden. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen initiierten Lothar Böning und seine Kollegen als erste Praxis in Deutschland das Modell einer Betreuung von Tumorpatienten durch so genannte Psychoonkologen. Dieses Modell wurde später in Berlin flächendeckend übernommen. Aus den damaligen Anfängen ist heute ein umfangreiches Netz ambulanter onkologischer Versorgung im niedergelassenen Bereich geworden. (4)

Gründung der Lothar-Böning-Stiftung

Um sein sozial-pädagogisches Vorhaben zu verwirklichen, beriet sich Lothar Böning im Jahr 2004 mit dem damaligen Schulleiter Wolfgang Sykorra. Gemeinsam hatten sie 1964 in Borbeck das Abitur abgelegt. Noch im Jahr 2004 wurde die „Lothar-Böning-Stiftung“ gegründet, der Stiftungsvorstand mit Lothar Böning und Wolfgang Sykorra besetzt und der Antrag auf Genehmigung der Stiftungsaufsicht in Düsseldorf vorgelegt. Die Anerkennung wurde im Jahr 2005 erteilt. Außerdem wurde die Gemeinnützigkeit ausgesprochen, so dass Spenden an die Stiftung steuerlich absetzbar waren. Das Stiftungsvolumen, das Lothar Böning sukzessive eingegeben und von der Borbecker Bürgerin Magdalena Bisler als Zustifterin erhöht worden war, beläuft sich auf 250.000 Euro. Die daraus erzielten Gewinne stehen dem Gymnasium Borbeck zur Förderung seiner Schülerinnen und Schüler zur Verfügung.

Die Satzung der Lothar-Böning-Stiftung legt nur die Rahmenbedingungen für die Förderung fest. Stiftungszweck – so heißt es in Paragraph 2 allgemein – umfasst die Förderung der Schülerinnen und Schüler und die Ausstattung der Schule mit Sachmitteln. Um die Bandbreite der Förderung zu veranschaulichen, sei dieser Hinweis gegeben: Die Lothar-Böning-Stiftung übernahm die Kosten für Trikotsätze der Fußballmannschaft ebenso wie für Lern- und Übungsmaterialien in den wissenschaftlichen Fächern.

Antragstellung und Mittelvergabe

Bei der Mittelvergabe folgt der Stiftungsvorstand der von den Fachlehrern und Fachlehrerinnen vorgenommenen Projektbeschreibung, die an den ständig evaluierten schulprogrammatischen Zielen des Gymnasiums Borbeck ausgerichtet ist. Diese werden in der Tradition seiner engen Verflechtung mit der Stadtgeschichte der Gründerzeit gesehen.

Die Gestaltung des Schullebens geht deshalb von der Voraussetzung aus, dass das Gymnasium Borbeck am Gemeinwesen orientiert ist und sein schulisches Leben – und dabei der Unterricht – mit seinen Ergebnissen in den Stadtteil und die Gemeinde hineinwirkt. Dies geschieht beispielsweise durch die von der Stiftung geförderte Ausstellung von Schülerexponaten in Borbecker Geschäften. Damit wird das Gymnasium Borbeck zu einem Bindeglied in einem stadtteilübergreifenden Netzwerk, in dem es mit anderen Schulen und außerschulischen Partnern kooperiert. (5) Auf diese Weise führen seine Aktivitäten zu der erwünschten stadtteilgebundenen und regionalen Identität. (6)

Zu diesen Kooperationspartner gehören ehemalige Schülerinnen und Schüler. Eine Vorstandssitzung der Stiftung regte an, die regelmäßig stattfindenden Ehemaligentreffen als Möglichkeit einer Netzwerkbildung zu nutzen. Diese könnte zu einer ausgeprägten Identifizierung mit den Anliegen der Schule führen: Absolventen des Gymnasiums Borbeck würden beispielsweise bei der Berufsberatung der Schülerinnen und Schüler mitwirken und Erfahrungen aus dem Berufsleben als Entscheidungshilfe für die Abiturienten vorstellen.

In diesem Zusammenhang initiierte die Lothar-Böning-Stiftung eine Buchdokumentation mit Porträts von GymBo-Absolventen. Deren Lebensläufe könnten - so die einhellige Überzeugung - durchaus motivierendes Vorbild für die aktuelle Schülerschaft sein. Es entstand ein Buch, in dem die Lebensläufe von Persönlichkeiten nachgezeichnet werden, die das Gymnasium Borbeck besucht haben. Das Buch hat eine Bedeutung für den gesamten Stadtteil und darüber hinaus, weil die älteste weiterführende Schule eng mit der Geschichte des früheren Industriedorfs Borbeck verbunden ist.

Die Auswahl der Porträts berücksichtigt die einzelnen Schülerepochen, die in den jeweiligen gesellschaftspolitischen und bildungshistorischen Kontext eingeordnet werden. Da die Schulgeschichte exemplarisch die Veränderung der Schulkultur im städtischen Umfeld Essens von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft unserer Tage spiegelt, leistet das Buch auch einen Beitrag zur Regionalgeschichte des Ruhrgebiets. Es ist inzwischen in zahlreiche deutsche und internationale wissenschaftliche Bibliotheken aufgenommen worden.

Die Arbeit des Gymnasiums Borbeck geht von folgenden konkreten Standortvoraussetzungen aus: Es ist die älteste weiterführende Schule im größten und industriell geprägten Essener Stadtbezirk Borbeck, der ein differenziertes Schulangebot bietet. Eltern können bei den Gymnasien zwischen einem privaten katholischen Gymnasium, einem städtischen Gymnasium nur für Mädchen und dem Gymnasium Borbeck als einem koedukativen städtischen Gymnasium für Jungen und Mädchen mit einem deutsch-englischen bilingualen Zweig wählen. Die von der Stiftung geförderte Erstbegegnung mit dem Gymnasium Borbeck kann bei der Wahl einer Schule helfen.

Diese Wahlmöglichkeit haben auch die Kinder geflüchteter Familien. Als Folge internationaler Krisen suchen immer mehr Menschen Zuflucht in Deutschland. Ihre Söhne und Töchter finden Aufnahme auch im Gymnasium Borbeck, so dass deren Integration ein Anliegen der Lothar-Böning-Stiftung ist. Die Sicherung des Alltags, die von einem gesunden Frühstück über ein Essen bei der Mittagsbetreuung bis hin zur Erstattung von Fahrkosten vom Zuhause zur Schule und zurück reicht, gilt als wichtige Stiftungsaufgabe für alle Mädchen und Jungen.

Pädagogische Grundorientierung

Als pädagogische Grundorientierungen werden von der Schule verbindlich genannt.: das anlassunabhängige schulische Handeln gegen Gewalt und Rassismus, die Erziehung zur Toleranz und die Ahndung von Verstößen gegen die zur Sicherung dieser Tugenden rechtlich vorgegebenen Rahmenbedingungen. Alle in der Schulgemeinde vertretenen Schüler, Lehrer und Eltern übernehmen die Verantwortung für die Einhaltung ihrer Pflichten und die friedliche Ausübung ihrer Rechte. Das Anliegen des dem Gymnasium Borbeck im Jahr 2017 verliehenen Siegels als „Schule ohne Rassismus“ (7) wird deshalb unterstützt, etwa für eine enge Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Jugendhilfe.

Individuelle Förderung

Die individuelle Förderung ist für das Gymnasium Borbeck unabdingbar. Die antragstellenden Lehrerinnen und Lehrer nutzen - wie alle weiterführenden Schulen - besonders in der Anfangszeit nach dem Schulformwechsel die Erfahrungen der Grundschulen, beispielsweise in Form von Unterrichtshospitationen und eines regelmäßigen Gedankenaustauschs. Darüber hinaus und später bietet das Gymnasium Borbeck zur Ermittlung individueller Kompetenzen so genannte Potenzialanalysen an. Diese messen den persönlichen Entwicklungsstand bestimmter Fähigkeiten, die für das Lernen und Erbringen von Leistungen von Bedeutung sind. Die Kosten für die Teilnahme am Analyseverfahren sind natürlich förderungswürdig.

Der Wiedereingliederung von Mädchen und Jungen in das deutsche Unterrichtsgeschehen nach einem Auslandsaufenthalt schenkt die Stiftung gebührende Beachtung. Der Sprachförderung – besonders für Kinder mit einem Migrationshintergrund – kommt nach Meinung des Stiftungsvorstands großes Gewicht zu. Auch dem Gelingen eines inklusiven pädagogischen Ansatzes wird von der Stiftung angemessene Bedeutung zuerkannt.

Der von der Stiftung ebenso bezuschusste so genannte Schulplaner hilft jedem Schüler und jeder Schülerin, eine systematische persönliche Lernstrategie zu erarbeiten. In einem Portfolio wird gesammelt, was die schulische Entwicklung der Schülerinnen und Schüler dokumentieren kann. Es geht etwa darum (8):

  • die Hausaufgaben und Termine nachzuhalten,
  • kommende Klassenarbeiten immer im Blick haben,
  • den Leistungsstand und die Noten einzuschätzen.

Die Eltern sind eingeladen, die Planer ihrer Kinder einzusehen. Denn sie erhalten so ebenfalls einen Überblick und sehen, ob beispielsweise Hausaufgaben gemacht werden oder Gesprächstermine mit der Schule vereinbart werden müssen. Insgesamt gilt: Die von der Lothar-Böning-Stiftung geförderten Unterrichtsprojekte sind auf mehr Eigenständigkeit und selbstbestimmtes Lernen der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet.

Fächerkanon

Die Fächer des sprachlich-literarisch-künstlerischen, des gesellschaftlichen und des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeldes sowie die Fächer Sport und Religion werden von der Lothar-Böning-Stiftung gleichermaßen unterstützt.

Das Angebot des ab Klasse 5 möglichen bilingualen – deutsch-englischen – Zweisprachenzweigs geht von folgendem Leitgedanken aus: Das zusammenwachsende Europa führt in immer neuen Feldern des beruflichen und öffentlichen Lebens dazu, dass viele Menschen eine Fremdsprache -insbesondere die englische – als Arbeitssprache nutzen und über entsprechende fachliche Qualifikationen verfügen müssen. So werden im bilingualen Bildungsgang neben dem regulären Sprachunterricht schrittweise die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer Erdkunde, Politik und Geschichte in der Fremdsprache unterrichtet.

Die Lothar-Böning-Stiftung befürwortet den Versuch, den schon mit Englisch, Englisch bilingual, Latein und Französisch bestehenden Sprachenkanon um das Fach Spanisch zu erweitern. Der Schwerpunktbildung in Mathematik, Informatik und Technik (MINT) gilt ebenfalls die Zusage einer Förderung. Für seine Auszeichnung als „MINT-freundliche Schule“ hat das Gymnasium Borbeck nämlich die geforderte Profilbildung in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, die Teilnahme an regionalen und überregionalen Wettbewerben, die Unterstützung bei der Berufswahlorientierung unter Berücksichtigung der MINT-Berufe, eine kontinuierliche Fortbildung der MINT-Lehrkräfte sowie die Kooperationen mit Hochschulen und Unternehmen nachgewiesen.

Zur Sicherung eines qualitativ vertretbaren Kurs- und Bildungsangebotes im Essener Nordwesten sieht die Stiftung die in der Oberstufe bestehende Kooperation mit dem Mädchengymnasium als ein sinnvolles Modell. In allen Jahrgangsstufen ist die Förderung musischer Bildung für die Stiftung unabdingbar.

Der seit 1987 herausgegebene Schulkunstkalenders, der Schülerarbeiten präsentiert hatte, war mit Preisen ausgezeichnet und in der Zeit seines Erscheinens zu einem Bindeglied zwischen Schule, Stadtteil und Ehemaligen des Gymnasiums Borbeck geworden. Ab 1993 werden die lange unterbrochenen Weihnachtskonzerte am Gymnasium Borbeck wieder veranstaltet, die seit 1997 unter Beteiligung von zahlreichen ehemaligen Schülern und Lehrern stattfinden. Aus dem Versuch einer Wiederbelebung alter Traditionen der Schule hat sich innerhalb weniger Jahre ein Konzert-Event entwickelt, das sich in Borbeck und über Borbeck hinaus größter Beliebtheit erfreut.

Die Probenwochenenden vor einer Aufführung sind ein Stimmungsbild integrativer Erziehung, in der unterschiedliche Altersstufen, ehemalige und aktuelle Schülerinnen und Schüler aller sozialen Schichten sowie Mädchen und Jungen vielfältiger kultureller Herkunft zu einer musischen Einheit zusammengeführt werden. Die Unterstützung dieses Projektes ist für die Stiftung ein besonderes Anliegen.


Weihnachtskonzert in der Dreifaltigkeitskirche

Berufsorientierung

Am Gymnasium Borbeck werden ab der Jahrgangsstufe 8 den Mädchen und Jungen sukzessive Angebote beruflicher Bildung unterbreitet. So bieten etwa die Schülerbetriebspraktika der Jahrgangsstufe 10 die Möglichkeit, die Berufs- und Arbeitswelt unmittelbar kennen zu lernen, mit ihrer sozialen Wirklichkeit vertraut zu werden und sich mit ihr kritisch auseinander zu setzen.

Die Schülerbetriebspraktika werden in der Sekundarstufe II durch das Konzept der Studien- und Berufsorientierung ergänzt. Dazu arbeitet das Gymnasium Borbeck mit außerschulischen Partnern wie der Agentur für Arbeit und der Regionalen Schulberatungsstelle der Stadt Essen zusammen. Einzelfallberatungen und der inhaltlich vorbereitete Besuch von Universitätsveranstaltungen sind ebenso Bestandteil des Konzeptes wie der Einsatz des von der Stiftung bezuschussten so genannten Geva-Tests, d. h. einer unter strengen Zeitvorgaben durchgeführten Testung. Ihr Ergebnis weist berufsbezogen Kompetenzen der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers aus.

Internationale Netzwerke

Gleichzeitig erfüllt das Gymnasium Borbeck Aufgaben, die über den regionalen bis in den internationalen Bereich hinausreichen. Pädagogischer Überlegungen zur Erweiterung der Europäischen Union werden auch in Zukunft förderungswürdig sein. Denn die mit einem vergrößerten Europa verbundene allmähliche Verflechtung nationaler Kulturen erfordert Toleranz als eine unabdingbare pädagogische Herausforderung: Sie ist Chance für eine gegenseitige Bereicherung. Dazu leisten schulische Netzwerke einen wichtigen Beitrag. So auch das europäische Sokrates-Programm, das Comenius-Programm und das westeuropäische Euregio-Projekt, an dem die Niederlande und Deutschland als Nachbarn beteiligt sind.

Auf schulischer Ebene heißt das: Zwischen dem Gymnasium Borbeck und dem niederländischen Dendron-College in Horst werden Kontakte gepflegt und genutzt, so dass sie in gemeinsame unterrichtliche Vorhaben einmünden. Vor dem Hintergrund des international zunehmenden Antisemitismus etwa werden sie zu projektbezogenen Arbeiten diesseits und jenseits der Landesgrenze. Dabei ist für die niederländisch-deutsche Partnerarbeit auch die Sprachwahl für die tägliche Kommunikation von Bedeutung. Während auf deutscher Seite im Allgemeinen vorausgesetzt wird, dass die Niederländer Deutsch verstehen und sprechen, stellt man in Deutschland an sich selbst die Forderung nach niederländischen Sprachkenntnissen nicht. Deshalb wird in den Dialogen zwischen niederländischen und deutschen Schülerinnen und Schülern die englische Sprache zum Kommunikationsmittel.

Auch andere Schüleraustauschprogramme fallen unter eine satzungsgemäße Förderung. Ihr Zustandekommen war persönlichen informellen Initiativen vorbehalten: So wurde der Austauschpartner für die USA in einer Rüttenscheider Kneipe gefunden. Aus Atlanta/USA war eine Seminardelegation in Essen. Klaus Lindemann, der außer als Lehrer am Gymnasium Borbeck auch als Fachleiter für Deutsch am Studienseminar arbeitete, fragte Schulleiter Wolfgang Sykorra, ob er zu einem Bier dazu kommen wolle. Es war der Beginn einer deutsch-amerikanischen Partnerschaft. Für die Teilnahme ist ein gutes schulisches Leistungsbild erforderlich. Sie hängt sowohl von der fremdsprachlichen Qualifikation als auch der sozialen Kompetenz der Teilnehmer ab. Denn die Borbecker Mädchen und Jungen sollen ihre Stadt gewissermaßen als Botschafter vertreten. (9)


Vor dem Portal der Centennial High School in Atlanta/USA

Die Zusammenarbeit mit dem Lycée de Trois Bassins geht auf ein Kuriosum zurück. Borbecks Schuldirektor Wolfgang Sykorra suchte eine französische Austauschschule und wandte sich an einen ehemaligen Schüler, der in der Nähe von Paris als Lehrer arbeitete. In einem Telefonat verständigten sich beide auf einen deutsch-französischen Schüleraustausch. Als Wolfgang Sykorra am Ende des Gesprächs beiläufig fragte, ob sich die bisherige französische Anschrift seines ehemaligen Schülers wie die Telefonnummer ebenfalls geändert habe, kam die unerwartete Antwort: Der Schüler war ins französische Überseedépartement La Réunion im Indischen Ozean versetzt worden. Borbecker Schülerinnen und Schüler konnten daran teilnehmen, weil die Lothar-Böning- Stiftung ihnen die Teilnahme finanziell erleichtert hatte.

Klassen- und Studienfahrten

In der Sekundarstufe I werden zur Förderung des Lernklimas Klassenfahrten angeboten. Unverzichtbar ist auch hier die im Schulgesetz vereinbarte Einbeziehung von Eltern in den Entscheidungsprozess. Denn kein Kind darf aus finanziellen Gründen von einer Klassenfahrt ausgeschlossen werden, für deren Kosten im Einzel- und Notfall die Stiftung eintritt. Das gilt auch für die unterrichtlich angebundenen Studienfahrten ins In- und Ausland.

Behebung von Erziehungsschwierigkeiten

Die Konzepte für die Erziehungs- und Beratungsarbeit in beiden Sekundarstufen leiten sich aus dem beschriebenen pädagogischen Erziehungskonsens des Gymnasiums Borbeck ab. Verhaltensschwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern werden mit diesen in Einzelfallberatungen – ggfs. unter Heranziehung von Erziehungsberatungsstellen, Jugendkontaktbeamten der Polizei sowie der Jugendgerichtshilfe – zu beheben versucht. Die am Gymnasium Borbeck angebotenen Strategien zur gewaltfreien Konfliktlösung in Form eines Sozialtrainings („Stark im Konflikt“) finden die uneingeschränkte Unterstützung der Lothar-Böning-Stiftung. Die Suchtprophylaxe erfolgt weiterhin im Unterricht sowie durch persönliche Beratung. Diese Maßnahmen werden von externen Fachkräften sowie für diesen Zweck im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen besonders geschulten Kolleginnen und Kollegen durchgeführt. Die Zusammenarbeit mit den Klassen- und Jahrgangsstufenleitern ist dabei ein unabdingbares Gebot.

Leistungsorientierte außerunterrichtliche Förderung von Schülerinnen und Schülern

Die Förderung leistungsschwächerer oder sozial benachteiligter Mädchen und Jungen ist ein besonderes Gebot. Unterrichtsintern müssen deshalb diese Schülerinnen und Schüler behutsam beobachtet, Defizite festgestellt, analysiert und zu ihrer Behebung individuelle Förderempfehlungen erstellt werden. Die gezielte Behebung von Lerndefiziten in einzelnen Fächern wird von der Lothar-Böning-Stiftung im Rahmen des Projekts „Schüler helfen Schülern“ angeboten.

Darüber hinaus richtet die Lothar-Böning-Stiftung die Aufmerksamkeit auch auf die Förderung leistungsstärkerer Mädchen und Jungen. Die Teilnahme an regionalen und nationalen Wettbewerben in unterschiedlichen Fachbereichen kann der Ermittlung des Stellenwerts dienen, den individuelle schulische Leistungen im Rahmen eines Vergleichs haben. Wettbewerbe fördern besondere Stärken von Schülerinnen und Schülern. Dazu gehören Lesewettbewerbe. Ihre Teilnahme wird auch deshalb unterstützt, weil das Leseverstehen eines der auch in der Pisa-Studie 2003 ausgewiesenen gesellschaftlichen Probleme war.

Auch die folgenden Projekte haben die Hilfen der Lothar-Böning-Stiftung erfahren: Das Cambridge Certificate dient der Bescheinigung qualifizierter Englischkenntnisse und ist international bei Bildungseinrichtungen und Unternehmen anerkannt.  Das DELF-Programm (Diplôme d’études en langue française) zertifiziert den Erwerb eines französischen Sprachdiploms. Darüber hinaus wurden Fördergelder für die im Jahr 2000 begonnene Zusammenarbeit zwischen dem Gymnasium Borbeck und der Global Young Leaders Conference in Washington bereitgestellt. Diese internationale Konferenz für junge Führungskräfte wird vom amerikanischen Kongress und den Vereinten Nationen gefördert. Ihr Ziel ist, dass die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Rahmen einer Simulation Aufgaben als UN-Botschafter übernehmen. In dieser Funktion müssen sie – gestellte – internationale Konflikte zu einer Lösung führen. Auf diese Weise müssen in Schule erworbene kognitive und kommunikative Kompetenzen angewandt werden. Dies ist auch erforderlich, wenn sich Schülerinnen und Schüler um ein Stipendium für ein Auslandspraktikum bei der Lothar-Böning-Stiftung bewerben.


GymBo-Schülerinnen und Schüler in Washington bei der Global Young Leaders Conference

Demokratische Teilhabe

Schülerinnen und Schüler müssen zur Stärkung des Verantwortungsbewusstseins an schulischen Entscheidungsprozessen zunehmend beteiligt werden. Gesellschaftliches Engagement setzt das Wissen um die Strukturen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung voraus. So hält der Stiftungsvorstand etwa die Förderung von Schülerbesuchen demokratischer Einrichtungen für sinnvoll.

Im Rahmen des Schulgesetzes wird der demokratische Umgang zur Umsetzung schulischer Interessen auch von Schülerinnen und Schülern ständig gelebt. Sie sind deshalb in schulischen Entscheidungsgremien vertreten. Ihre Schulung für diese Aufgaben ist ein wichtiges Anliegen der Stiftung. Gleichzeitig fördert mehr Selbstständigkeit aller Mitglieder der Schulgemeinschaft eine Optimierung der Identifikation untereinander, des Schulklimas und damit nicht zuletzt auch der Schülerleistungen.

Förderung der Medienkompetenz

Die Förderung der Medienkompetenz gewinnt immer mehr an Bedeutung. Das Internet etwa bietet wichtige mediale Grundlagen für Freiarbeit, selbstbestimmtes Lernen und individuelle fachliche Recherche. Die Förderung erfolgt fach- und jahrgangsübergreifend auf der Grundlage eines schulinternen Digitalisierungskonzeptes. Die dafür notwendige Anschaffung geeigneter Gerätschaften ist für die Lothar-Böning-Stiftung ein wichtiges Anliegen.

Verausgabtes Fördervolumen 2004 – 2024

Das in der Zeit ihres zwanzigjährigen Bestehens für die oben beschriebenen Projekte verausgabte Fördervolumen beträgt 130.000 Euro. Darüber freut sich natürlich der Vorstand der Lothar-Böning-Stiftung.

Wolfgang Sykorra

Rainer Hagelgans vom Förderverein sowie Stiftungsvorstand Lothar Böning, Lars Schnor und Wolfgang Sykorra

 

Anmerkungen:

(1) Die Stiftung. Magazin für Stiftungswesen und Philantropie. Februar 2024, S.26-29
(2) Klaus Lindemann, ´ Dies Haus, ein Denkmal wahrer Bürgertugend`. Das Gymnasium Borbeck seit der Kaiserzeit. Klartext Verlag, Essen 2005, S. 209
(3) Gymnasium Borbeck (Hrsg.), Mailbox 5 (Februar 2023)
(4) Wolfgang Sykorra, Von der Penne in die Welt. Borbecker Porträts. Edition Rainruhr, Essen 2013, S. 80 ff.
(5) Gymnasium Borbeck, Schulprogramm, Essen 2006 (im Bestand des Stadtarchivs Essen)
(6) www.gymnasiumborbeck.de – 15. August 2024
(7) Borbecker Nachrichten vom 27. Januar 2017
(8) www.gymnasiumborbeck.de – 15. August 2024
(9) www.gymnasiumborbeck.de – 15. August 2024

Benutzte Quellen

Archiv der Lothar Böning-Stiftung
Die Stiftung. Magazin für Stiftungswesen und Philantropie. Februar 2024
Diverse Zeitungsartikel
Gymnasium Borbeck (Hrsg.): Schulprogramm, Essen 2006 (im Bestand des Stadtarchivs Essen) und Gymnasium Borbeck (Hrsg.): Mailbox 5 (Februar2023)
www.gymnasiumborbeck.de – 15. August 2024
K
laus Lindemann: Dies Haus, ein Denkmal wahrer Bürgertugend. Das Gymnasium Borbeck seit der Kaiserzeit. Klartext Verlag, Essen 2005
Wolfgang Sykorra: Von der Penne in die Welt, Borbecker Porträts. Edition Rainruhr, Essen 2013          

Impressum: Autor: Wolfgang Sykorra, Herausgeber: Lothar-Böning-Stiftung, Essen 2024, Abbildungsnachweise: Privat, Filz/BN, Gymnasium Borbeck                                                

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